Bauernregeln

Warum Unkraut kein Unkraut ist. Und was „Bio“ für einen Landwirt bedeutet.

Unser Gespräch beginnt, wie es wohl beginnen musste – mit einem Plauscherl übers Wetter. Ich freue mich über den seit Tagen anhaltenden Sonnenschein und mache eine entsprechende Bemerkung. Alfred Schaden pflichtet mir bei – anstandshalber. Und legt dann vorsichtig nach, dass er sich eigentlich Regen wünscht, die Natur bräuchte ihn längst. Sein Blick verrät, dass Gespräche übers Wetter für diesen Mann wesentlich mehr sind als nur Smalltalk. Wir stehen etwa drei Kilometer entfernt vom Sterntalerhof, auf einem seiner Felder, auf vielleicht fünf Quadratmetern von insgesamt 60 Hektar Land. Das meiste davon ist Ackerland, fruchtbarer Boden für Winterweizen, Winterdinkel, Sojabohnen, Körnermais. Von Feld zu Feld ziehen diese Kulturen über die Jahre, in einer ausgeklügelten Fruchtfolge, die auf den raffinierten Gesetzen streng biologischer Landwirtschaft basiert.

Eine schwere Entscheidung

Das war nicht immer so. In den späten siebziger Jahren steigt Alfred in den elterlichen Betrieb ein, baut ihn über die Jahre sukzessive aus. Noch ist sein Unternehmen das, was man einen „konventionellen Landwirtschaftsbetrieb“ nennt – seine Felder werden mit chemischen Pflanzenschutzmitteln bearbeitet. Immer schon bereitet ihm das ein gewisses Unbehagen. „Ich habe mich gefragt, was ich bin.“ erinnert er sich und lässt den Blick über die Felder schweifen, „ich bin Landwirt mit Leib und Seele. Ich will mit dem Boden arbeiten, mit der Natur, ich wollte definitiv weg von der Chemie!“ Keine leichte Entscheidung. In der Branche munkelt man von Distelfeldern und Ertragseinbußen, von hohen bürokratischen Aufwänden. „Wir haben Familienrat gehalten“, lächelt Schaden, „wenn man solch tiefgreifende Veränderungen ins Feld führt, müssen das alle mittragen.“

Der große Umbruch beginnt 2005. Alfred gibt den Viehbetrieb auf und beginnt mit den Vorbereitungen, seine sechzig Hektar auf rein biologische Landwirtschaft umzustellen. Und diese Umstellung besteht zunächst aus einer Änderung der Einstellung. Schon die Fruchtfolge folgt einem anderen, naturnahen Zyklus. Saatgut wird fortan unbehandelt gekauft. Und Unkraut ist in der biologischen Landwirtschaft nicht Unkraut, sondern Beikraut – eine Zeigerpflanze, die auf die Beschaffenheit des Bodens verweist und ihn oft sogar pflegt: Manche dieser kleinen Wildkräuter bilden tiefreichende Wurzeln aus, und tragen so dazu bei, verdichtete und schwere Böden aufzulockern. „Es geht darum ein biologisches Gleichgewicht zu erhalten“, erklärt Schaden. Das heißt, dass auch Beikraut irgendwann raus muss. Nur wie – das macht den Unterschied.

Striegeln und Hacken

Denn ein biologischer Landwirtschaftsbetrieb verwendet keine chemischen „Pflanzenschutz“-Mittel. Stattdessen „striegelt“ Alfred den Weizen, benützt dafür ein eigenes Gerät, ähnlich einem Kamm, mit etwa 40 Zentimeter langen Zinken, mit dem er durchs Getreide fährt. Der Effekt: Das Beikraut wird verschüttet oder ausgerissen – und verdorrt dann in der burgenländischen Sonne. Mechanik, statt Chemie – einem strengen Regelwerk folgend: „Man darf das Zeug nicht mal im Haus haben“, mahnt Schaden, „nichts davon, kein Mineraldüngersackl, nicht mal ein leeres Gebinde!“ Die Kontrollen kommen unangemeldet, die Sanktionen sind drakonisch. Wie weit das geht, erklärt er am Beispiel seiner Zusammenarbeit mit einem konventionellen Betrieb, den er mit Rotklee fürs Mastvieh beliefert und im Gegenzug Stallmist für die Weizenfelder erhält. Und weil dieser Stallmist eben aus einem konventionellen Betrieb stammt, benötigt Schaden eine Bestätigung und ein entsprechendes Kontrollverfahren.

Mehr Bürokratie? Ja. Weniger Ertrag? Auch ja. „Aber das ist es wert“, sagt Schaden entschlossen. Klar haben sie’s leichter, die Konventionellen, weil Chemie die Mehrarbeit im Ansatz erstickt. Aber immer, wenn er junge Maisfelder sieht, die mit Dünger zugedeckt schneeweiß in der Landschaft liegen, beschleicht es ihn wieder, dieses ungute Gefühl, das ihn hat umstellen lassen. Bereut hat er es nie und beschwört heute sogar die Politik, Anreize für künftige Bio-Landwirte weiter auszubauen: „Du befasst dich ganz anders mit der Landwirtschaft, mit Böden, Pflanzen und Natur. Und die Freude am Ertrag – ist eine ganz Besondere!“ Dann endet unser Gespräch, wie es wohl enden musste. Noch einmal blickt Alfred Schaden über das weite Feld und fügt leise hinzu, dass es für guten Ertrag aber noch mehr braucht, als nur menschliches Wissen. „Letztendlich entscheidet das Wohlwollen jener höheren Macht, die wir den lieben Gott nennen!“ Und natürlich – das Wetter.

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