Zur Sonne, zum Licht

Die Kapelle am Sterntalerhof ist ein überkonfessioneller Ort der Einkehr. Wir haben sie uns angesehen – gemeinsam mit ihrem Architekten.

© Sterntalerhof

Der Weg zur kleinen Kapelle am Sterntalerhof führt vom Hauptgebäude weg, gabelt sich zwischen Gästehäusern und Reithalle und führt dann entlang kleiner Bäume in die Stille, weg vom Geschehen. Nicht selten ist es ein beschwerlicher Weg, körperlich wie seelisch – wer ihn geht, sucht Einkehr, will mit sich selbst und seinen Gedanken oder mit Angehörigen allein sein. „Schon dieser Weg ist ein Teil des Ziels“, erzählt mir Johann Konvicka, „es ist ein Weg, den man bewusst geht, der in die Abgeschiedenheit führt, an einen Kraftplatz, an einen Ort der Stille“. Konvicka ist Architekt, hat den Sterntalerhof geplant und vor fast 10 Jahren die Kapelle von Grund auf entworfen. Mit ihm will ich das Bauwerk ergründen, das zu einem so wichtigen Bestandteil der Arbeit hier geworden ist.

Die Dachdraufsicht auf dem alten Plan: Das hier in Gold eingefärbte spätere Kupferdach ergibt einen Pfeil, der nach Osten zeigt – zur aufgehenden Morgensonne. | © Sterntalerhof

Die Dachdraufsicht auf dem alten Plan: Das hier in Gold eingefärbte spätere Kupferdach ergibt einen Pfeil, der nach Osten zeigt – zur aufgehenden Morgensonne. | © Sterntalerhof

Ein kontemplativer Ort sollte sie sein, eine grenzenlose Kapelle für alle, fernab religiöser Bekenntnisse. Konvicka bittet mich, die Hände zusammenzuführen, wie zu einem Gebet. „Aber lassen Sie sie locker, sodass sich nur die Fingerspitzen leicht berühren.“ Die Form, die sich ergibt, bestimmte für ihn die Form der Kapelle – ein runder, kuppelförmiger Bau, umgesetzt in schlichtem Lärchenholz. „Ein natürlicher Baustoff, den wir ganz bewusst unbehandelt ließen, damit das Holz in Würde altern kann“ – und der sich wunderbar ergänzt mit dem in der Sonne funkelnden Dach aus Kupfer. Ich nähere mich dem Portal und stehe an der von der Wiener Tischlerei Stedronsky gestalteten Türe. In rot, gold und weiß gehalten passt sie sich beinahe nahtlos in den Rahmen ein – irgendetwas fehlt. Konvicka lächelt: „Es gibt weder eine Schnalle noch ein Schloss: Diese Kapelle ist immer offen, für jedermann, man kann sie nicht abschließen.“ Ein sanftes Drücken und die Tür schwingt auf, mit ungewohnter Leichtigkeit. Rollstuhlgerecht führt die Rampe leicht abschüssig in den Raum, der innere Kreis ist etwa 15 Zentimeter abgesenkt, ein Gefühl unerwarteter Erdung stellt sich ein. „Die Grundfläche der Kapelle ist nicht groß, der Raum durch seine Kuppel aber gute fünf Meter hoch“, macht mich Konvicka aufmerksam, „in so einem Raum könnte man sich schnell verloren fühlen.“ Hier jedoch – herrscht tiefe Geborgenheit. Alles scheint zur Mitte zu streben, die tief angeordneten Fenster führen das Licht zum Boden. „Wenn ich in mich gehe, wenn ich tief in Gedanken versinke, neige ich meinen Kopf nach unten, nähere ich mich dem Boden.“ Dass das Glas der Fenster durchscheinend, aber nicht durchsichtig ist, verstärkt den kontemplativen Charakter des Raums. Hier ist man wirklich für sich. Erst jetzt fällt mir auf, dass die Wände in schmalen, schlicht weißen Segmenten zur Kuppelspitze führen. Da hängt nichts, da kann gar nichts hängen, was mich in meinen Gedanken irgendwie beeinflussen könnte. Nur ein schmaler Erker trennt die Wände in der Hälfte. An seinem Ende findet sich ein Fenster mit einer Seidenmalerei, die ein befreundeter Salzburger Künstler nach den Farbvorstellungen des Architekten angefertigt hat. „Dieser Erker ist exakt ostseitig ausgerichtet“, sagt Konvicka, „so fangen wir die Morgensonne ein und lassen sie durch das Gemälde ins Rauminnere fließen.“ Fantastisch.

Die tief liegenden Fenster führen das Licht zum Boden, sie sind durchscheinend, aber nicht durchsichtig. Der Erker mit der Seidenmalerei ist ostseitig positioniert, fängt die aufgehende Sonne ein. | © Sterntalerhof

Die tief liegenden Fenster führen das Licht zum Boden, sie sind durchscheinend, aber nicht durchsichtig. Der Erker mit der Seidenmalerei ist ostseitig positioniert, fängt die aufgehende Sonne ein. | © Sterntalerhof

Osten, Westen, Morgensonne. Alterndes Holz und strahlendes Kupfer. Konvickas Worte hallen noch nach, als ich Tage später diesen Artikel schreibe. Beseelt von der schlichten Genialität des kleinen Bauwerks stöbere ich durch Fotos – und durch die Pläne von damals, die mir der Architekt freundlicherweise überlassen hat. Dabei fällt mein Blick auf die „Dachdraufsicht“. Sie zeigt das Gebäude von oben – alles, was heute in Kupfer erstrahlt, ist hier noch in einem Goldton eingefärbt: Das Portal, das kreisrunde Kuppeldach, der Erker – zusammen ergeben die drei Elemente einen Pfeil, der nach Osten zeigt. Dorthin, wo für all jene, die den beschwerlichen Weg zur Kapelle auf sich genommen haben – irgendwann wieder die Sonne aufgeht.

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