Neue Masche, enges Netz

Ein Tag auf dem Beifahrersitz von Barbara Mayer-Schulz, Diplomierte Sozialarbeiterin am (und abseits vom) Sterntalerhof

09:42, A2 Südautobahn

Es nieselt leicht. Barbara Mayer-Schulz sitzt am Steuer des silbernen Toyota RAV4, der eigentlich für das unwegsame Gelände rund um den Sterntalerhof gebaut wurde. Jetzt pflügt er stoisch durch den niederösterreichischen Nieselregen, auf der Autobahn, der Bundeshauptstadt entgegen. Barbara checkt die Uhrzeit, der Termin um elf geht sich aus. Big Brothers Big Sisters erwarten sie in Wien. Eine Organisation, die Kindern und Jugendlichen erwachsene Mentoren zur Seite stellt, als große „Brüder“ oder große „Schwestern“, als Wegbegleiter, die Zeit schenken. Seit längerem schon sieht Barbara darin eine mögliche Chance, ein weiteres Rädchen in Gang zu bringen, um Familien auch nach ihrer Zeit am Sterntalerhof gut und individuell betreut zu wissen. Heute möchte sie die Gesichter zu den Telefonstimmen kennen lernen. Und konkrete Möglichkeiten ausloten. Für die neunjährige Tanja, die ihn Wien lebt, mit ihrem kleinen Bruder, dessen schwere Krankheit ihren Eltern kaum Zeit lässt für Tanja.

10:22, A23 Südosttangente

Das Telefonklingeln der Freisprechanlage reißt Barbara aus ihren Gedanken. Ein Rückruf aus Innsbruck, eine Sozialarbeiterin der Jugendwohlfahrt, ihr Tiroler Dialekt erklingt in spätherbstlicher Heiserkeit. Barbara bedankt sich und sortiert ihre Gedanken. Es gehe um einen jugendlichen Burschen, für den sie nach einer Trauerbegleitung sucht. „Die Familie war vor kurzem am Sterntalerhof, wir haben wahrgenommen, dass er eine längerfristige professionelle Betreuung braucht.“ Ob sie im Raum Innsbruck jemanden kenne, einen guten Therapeuten, der das übernehmen würde. Details nennt sie nicht. Noch nicht. Die Dame verspricht eine umgehende Recherche, sie schreibe ein Mail, vielen herzlichen Dank. Zurück zu Tanja. Noch einmal alle Fragen durchgehen, die sie dem Gesicht von Big Brothers Big Sisters gleich stellen wird. Sofern sich der zähe Verkehr hier jetzt nicht doch noch zu einem Stau verdichtet.

13:36, A21 Außenring-Autobahn

Doch, das war gut. Das Gesicht zur Telefonstimme gehört einem kompetenten Psychologen. Der gute Eindruck hat sich bestätigt, das Engagement der Organisation ist hoch, die Arbeit professionell. Und für Tanja wird es eine „Big Sister“ geben, die dem kleinen Mädchen einmal die Woche einen Nachmittag schenken wird, der nur Tanja gehört. Eine ehrenamtliche junge Frau, kompetent vorbereitet und startklar, sich Tanjas individuellen Bedürfnissen zu stellen. Ein kleiner Erfolg. Und mehr noch – Big Brothers, Big Sisters wissen jetzt mehr über den Sterntalerhof, seine Ziele, seine Arbeit. Eine Masche mehr in Barbaras Netzwerk, einen Schritt weiter auf dem langen Weg, umfassende Versorgung zu gewährleisten – auch abseits des Sterntalerhofs. Eine weitere dieser Maschen wartet jetzt in Salzburg. Nur noch 257 Kilometer.

15:12, A1 Westautobahn

Kurz nach Linz wird der Regen stärker. Dennoch Zeit für den nächsten Anruf, das Mail aus Innsbruck erreichte sie noch während der Sitzung in Wien. Am anderen Ende meldet sich ein Herr Dr. Steiner, Psychotherapeut, auf Kinder und Jugendliche spezialisiert. Diesmal geht Barbara ins Detail. Erzählt von Patrick, der zwölf Jahre alt ist und vor kurzem seinen Bruder verloren hat. Dann fragt sie, ob Steiner sich vorstellen könne, eine Betreuung zu übernehmen, ob diese über die Kasse laufen könne oder der Sterntalerhof sich auch finanziell einbringen müsse. Steiner hat Kapazitäten, er freut sich auf Patrick. Noch ein Erfolg.

16:53, Salzburg

Der Toyota hält vor einem Zinshaus im Stadtzentrum. Kurzes Strecken der Glieder nach fast 500 Kilometern Autobahn. Gleich trifft Barbara auf Maria - die Therapeutin betreut hier zwei Kinder, die bereits zwei Wochen am Sterntalerhof verbracht haben. Wie geht es ihnen? Was brauchen sie? Wann kommt die Familie das nächste Mal ins Südburgenland? Und was muss man dafür bereits jetzt in die Wege leiten? Das Netz muss nicht nur stetig wachsen, man muss es auch pflegen, die Qualität mobiler Versorgung abseits des Sterntalerhofs nachhaltig sichern.

All dies, auch ihre heutigen Erfahrungen wird sie am nächsten Tag hier in Salzburg berichten - an einem österreichweiten Vernetzungstreffen aller im Kinderpalliativbereich tätigen Organisationen, an dem sie für den Sterntalerhof teilnehmen wird.

Zuvor jedoch parkt sie den silbernen Toyota vor einer kleinen Pension. Und erst hier, am ruhigen Zimmer nimmt sie sich die Zeit, um die Eltern von Tanja und Patrick anzurufen. Denn obwohl sie heute Abend gute Nachrichten überbringt – es werden wohl längere Telefonate, keine Telefonate für die Freisprechanlage.

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